Eine Idee soll Fahrt aufnehmen

von Ralf Dieter – veröffentlicht von: DIE KITZINGER, 1. Juli 2021

Iphofen und Dettelbach starten ein Pilotprojekt. Beide Kommunen bieten zusammen mit Kooperationspartnern Carsharing mit einem E-Fahrzeug an. Kann das gelingen?

Vom Beginn einer Zeitenwende sprach Dieter Lenzer. Und da wolle Iphofen natürlich eine Vorreiterrolle einnehmen. Zumindest im Landkreis Kitzingen. Dettelbach ist beim ersten E-Carsharing-Projekt im Landkreis ebenfalls am Start. Allen Beteiligten ist klar, dass es einer gewissen Anlaufzeit bedarf. Im Herbst soll eine erste Bilanz gezogen werden.

Carsharing? Auf dem flachen Land? Die Bürgermeister sind sich der möglichen Vorbehalte in der Bevölkerung durchaus bewusst. Was in Metropolen wie Berlin und Frankfurt und mittelgroßen Zentren wie Erlangen/Nürnberg bereits erprobt und gut nachgefragt ist, soll nun auch auf dem flachen Land ein Erfolg werden. Zusammen mit der N-ERGIE, den Licht-, Kraft- und Wasserwerken (LKW) in Kitzingen und dem Wiesbadener Carsharing-Unternehmen „book-n-drive“ starten die beiden Weinstädte Iphofen und Dettelbach einen entsprechenden Versuch. Gäste, Touristen und Einheimische sollen von dem Angebot möglichst häufig Gebrauch machen.

400 Kilometer mit einem Tank
Und so funktioniert es: Am Einersheimer Tor in Iphofen beziehungsweise am Verwaltungsgebäude der Stadt Dettelbach in der Luitpold-Baumann-Straße steht jeweils ein Renault Zoe. Über die Internetplattform „book-n-drive.de“ oder die Seiten der beiden Kommunen können sich Interessenten erstmalig registrieren und ihre Ladekarte freischalten. An den mittlerweile mehr als 600 Säulen des Ladeverbundes+ in Franken lassen sich die Autos aufladen. Rund 400 Kilometer beträgt die Reichweite mit einem vollen Tank. „Nach der Fahrt stöpsel ich das Auto einfach wieder an“, erklärt Dettelbachs Bürgermeister Matthias Bielek.

Nutzungsdauer? Unbegrenzt!
Die E-Autos können für kurze Fahrten genauso wie für ein ganzes Wochenende gebucht werden. „Der Nutzungsdauer ist keine Grenze gesetzt“, erklärt Andreas Hornig, Geschäftsführer von book-n-drive. Die Gebühren werden über ein Lastschriftverfahren einbehalten. Versicherung, TÜV und Wartung übernimmt book-n-drive. Wer Hilfe bei der Erstregistrierung braucht, kann sich auch an die VG in Dettelbach beziehungsweise Tourist-Info in Iphofen wenden. „Wir nehmen den Führerschein in Augenschein, bestätigen die angegebenen Daten und drucken den Vertrag aus“, erklärt Claudia Bellanti. Der Kunde wird dann freigeschaltet und kann buchen. Letzteres geht am besten über die App – oder am PC.

Iphofen und Dettelbach stellen die Infrastruktur für die Ladesäulen zur Verfügung, die Energieversorger übernehmen die Stromkosten. Auf die Kunden kommen lediglich die Nutzungsgebühren pro Fahrt zu. Wer das Auto beispielsweise fünf Stunden bucht und dabei 50 Kilometer fährt, ist mit rund 25 Euro dabei. Bei der ersten Registrierung wird ein Startguthaben von 20 Euro freigeschaltet.
„Wir wollen die Mobilität auch im ländlichen Raum anders gestalten“, nennt Rainer Kleedörfer, Leiter Unternehmensentwicklung bei N-ERGIE, die Zielsetzung. 48,2 Millionen Pkw gebe es derzeit in Deutschland, etliche Haushalte hätten zwei, manche sogar drei Fahrzeuge. Viele von ihnen würden 23 Stunden am Tag aber gar nicht genutzt, sondern stünden im Carport oder auf öffentlichen Parkplätzen. Eine Nutzungsveränderung, der Teil-Austausch von Autos (Carsharing), sei ein Weg, um den Co2-Ausstoß nach und nach zu verringern. Ein weiterer wichtiger Faktor sei der Ausbau von E-Autos. Innerhalb von fünf Jahren werde die Zahl angemeldeter E-Fahrzeuge von derzeit rund 310.000 auf vier bis fünf Millionen steigen, prophezeit Kleedörfer. Als Flaschenhals bezeichnet er allerdings das Netz an Ladesäulen. Das müsse zügig ausgebaut werden.
In Iphofen ist man diesbezüglich schon weit. Zehn Säulen sind bereits in Betrieb. „Eine Erweiterung ist geplant“, kündigt Bürgermeister Dieter Lenzer an. So weit ist man in Dettelbach noch lange nicht. Die ersten zwei Säulen werden jetzt am Verwaltungsgebäude in der Luitpold-Baumann-Straße errichtet. „Aber die Euphorie im Stadtrat ist groß“, versichert Matthias Bielek. Man sei offen für einen zweiten Standort und für die Mobilität der Zukunft. In Iphofen und Dettelbach geht ab sofort ein Pilotprojekt an den Start. Weitere Kommunen hätten bereits ihr Interesse bekundet, berichtet Rainer Kleedörfer. Im Herbst wolle man eine erste Bilanz ziehen. Um eine möglichst gute Auslastung der Fahrzeuge zu erreichen, werden sie auch von den Mitarbeitern in den jeweiligen Rathäusern genutzt.

So funktioniert es
Registrierung: Über die Internetseite www.book-n-drive.de oder die Seiten der Stadt Dettelbach beziehungsweise Iphofen. Wer sich online angemeldet hat, erhält eine E-Mail mit Zugangsdaten. Nach der Freischaltung kann das Fahrzeug online gebucht werden. Die Öffnung der Autos funktioniert per App & Kundenkarte!
Der Preis für eine Fahrt setzt sich aus Zeitpreis und Kilometerpreis zusammen. Jeder gefahrene Kilometer wird mit einer festen Kilometerpauschale berechnet, eine Kilometerbeschränkung gibt es nicht. In der Kilometerpauschale ist bereits der Kraftstoff enthalten! Beispiele: 1 Stunde und 25 Kilometer: rund 10 Euro; fünf Stunden und 50 Kilometer: rund 25 Euro; einen Tag und 100 Kilometer: rund 75 Euro
Sorgenfrei: Versicherung, TÜV und Wartung sind in der Buchung dabei.
Der Ladeverbund+ ist eine Kooperation von derzeit rund 60 Stadt- und Gemeindewerken in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz, darunter die LKW Kitzingen und die N-ERGIE. Seine Mitglieder haben sich zum Ziel gesetzt, eine möglichst einheitliche und flächendeckende Ladeinfrastruktur für Elektroautos aufzubauen. Der Schwerpunkt des Ausbaus liegt bislang auf dem fränkischen Raum. Die Anzahl der Säulen ist im letzten Jahr von 520 auf 655 gestiegen.

Zum Bildmotiv:
Sie wollen das E-Carsharing auf dem flachen Land etablieren: Rainer Kleedörfer (N-ERGIE), Marek Zelezny (LKW Kitzingen), Matthias Bielek (Bürgermeister Dettelbach), Andreas Hornig (book-n-drive) und Iphofens Bürgermeister Dieter Lenzer. Foto: Ralf Dieter

Zurück